Jeder Arbeitnehmer hat nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) einen Rechtsanspruch auf den Abschluss eines entsprechenden Altersvorsorgevertrages durch den Arbeitgeber und dessen Besparung mittels der sogenannten Entgeltumwandlung. Hierüber wird jeder Mitarbeiter unseres Unternehmens schriftlich innerhalb der ersten Arbeitstage informiert. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen legen wir weder den Abschluss eines bAV-Vertrages gezielt nahe noch kooperieren wir diesbezüglich mit einem Finanzdienstleistungsunternehmen. Dieses Vorgehen möchten wir aufgrund von Nachfragen an dieser Stelle erläutern.
Wie genau funktioniert die bAV?
Der Arbeitgeber schließt in der Regel über ein Versicherungsunternehmen beziehungsweise die hierauf spezialisierte Tochter eines solchen einen bestimmten Regularien unterworfenen Sparvertrag zugunsten des Arbeitnehmers ab, der monatlich durch Entgeltumwandlung bedient wird. Letzteres bedeutet, dass die Sparbeiträge vom Bruttogehalt des Arbeitnehmers abgezogen und durch den Arbeitgeber direkt dem Vertrag zugeführt werden. Da hierauf innerhalb bestimmter Grenzen keine Steuern und Sozialabgaben anfallen, muss der Arbeitnehmer nur einen Anteil dieses Sparbeitrags tatsächlich durch Nettolohnverzicht finanzieren (siehe auch Beispiel weiter unten). Aufgrund der progressiven Steuer- und üppigen Abgabenquote muss er meist auf weniger als 50 Cent verzichten, um einen Euro Sparbeitrag zu generieren.
Vor allem diesem Umstand sowie der Tatsache, dass bAV-Produkte von den Anbietern hoch provisioniert werden, dürfte es zu verdanken sein, dass mittlerweile etwa 17 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland regelmäßig in eine Durchführungsform der bAV einzahlen. Bei sämtlichen dieser bAV-Verträge kommt dabei grundsätzlich das Kapitaldeckungsverfahren zur Anwendung. Die Beiträge eines jeden Versicherten werden dabei – abzüglich der Kosten für Verwaltung, Vertrieb, Marketing etc. – vom Anbieter gebündelt und am Kapitalmarkt angelegt. Aus dem angelegten Vermögen, dem Deckungsstock, werden alle garantierten Ansprüche des Versicherten bei Fälligkeit befriedigt. Hinzu kommt bei Vertragsablauf entsprechend des individuellen Anteils am Deckungsstock die Beteiligung an nicht garantierten Überschüssen. Insgesamt verwalten die externen, unternehmensunabhängigen bAV-Einrichtungen, hierzu gehören Direktversicherer, Pensionsfonds und Pensionskassen, mit Stand Ende 2014 gut 250 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Nicht nur zahlreiche Bedingungen des Sparvertrags, auch die bAV-Einrichtungen selbst sowie deren Anlagepolitik sind erheblichen gesetzlichen Restriktionen unterworfen. Hierzu unterstehen die Einrichtungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als zuständige Regulierungsbehörde.
Bis hierhin lesen sich die Rahmenbedingungen der bAV relativ unspektakulär, letztendlich definieren sie diese als spezielle Form eines öffentlich geförderten Sparprodukts. Gemäß einer von der Deutschen Postbank AG in Auftrag gegebenen Studie mit dem Titel „Altersvorsorge in Deutschland 2013/2014“ bezeichneten 52 Prozent der Berufstätigen in Deutschland ab 16 Jahre die bAV als „ideale Form der Alterssicherung“. Getoppt wird dieser Zustimmungswert nur noch durch den für selbstbewohntes Immobilieneigentum. Weiterhin spricht sich sogar eine Mehrheit dafür aus, den Abschluss eines bAV-Vertrages für jeden Arbeitnehmer als obligatorische Pflicht gesetzlich zu verankern. Neben einer Vielzahl von Einzelfragen zu den individuellen Vertragsdetails verdienen unabhängig vom konkreten Produkt und Anbieter folgende vier Parameter besondere Aufmerksamkeit.
Die kritischen Parameter jedes bAV-Vertrages
1. Deckungsstock
Die den bAV-Einrichtungen zufließenden Mittel müssen wie dargestellt am Kapitalmarkt angelegt werden, um mindestens die zugesagten garantierten Rentenleistungen zu erwirtschaften. Hinsichtlich ihrer Anlagepolitik, dem Abwägen von Chancen und Risiken sowie einer etwaigen Streuung der Kundengelder sind die bAV-Einrichtungen allerdings keineswegs frei, sondern erheblichen Restriktionen unterworfen. So schreibt die BaFin explizit vor, dass die verwalteten Gelder ganz überwiegend in sogenannten „sicheren“ Anlagen zu investieren sind. Hierunter versteht die Behörde ausschließlich die Anleihen (also Schuldscheine) von Staaten und Banken innerhalb des Eurosystems – auch diejenigen der mehr oder minder am Rande der Insolvenz lavierenden Schuldner. Diese Auffassung wird übrigens von der EU-Kommission geteilt und soll mit der zum 01. Januar 2016 geplanten Umsetzung der sogenannten Solvency II Regelung zur Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen und der darin enthaltenen Berücksichtigung von europäischen Staatsanleihen als risikoneutrale Vermögenspositionen EU-weit verbindlich werden. Schätzungsweise 90 Prozent der bAV-Anlagegelder sind daher aktuell in Euro-Staatsanleihen und von Banken emittierten Pfandbriefen mit langer Laufzeit angelegt. Der Deckungsstock umfasst je nach Anbieter beispielsweise auch Staatsanleihen aus Griechenland, Italien, Portugal, Irland und Belgien – Länder, die allesamt höher als ihre jährliche wirtschaftliche Leistung verschuldet sind – sowie Emissionen von Bankhäusern, die allein vom Steuerzahler am Leben erhalten werden (oder wurden). In wie weit diese Vermögensmassen tatsächlich langfristig tragen ist einstweilen mit einem großen Fragezeichen zu versehen. Umgekehrt ist die bAV für diese Institutionen freilich auch eine sprudelnde Finanzierungsquelle. Jeder bAV-Sparer betätigt sich als Staats- und Bankengläubiger, dessen Anteil am Deckungsstock natürlich auch entsprechenden Zahlungsausfallrisiken unterliegt. Diese werden vor allem von den Verkäufern in aller Regel als vernachlässigbar dargestellt, allerdings galt vor 10 Jahren auch die Pleite eines EU-Staates als völlig utopisch und absolut unvorstellbar.
2. Flexibilität
Ein bAV-Vertrag bindet den Kunden faktisch ein Leben lang. Eine Kündigung und Rückabwicklung ist nur unter Inkaufnahme von hohen Kosten möglich. Schwerer wiegt jedoch, dass bestimmte Vertragsparameter immer unter dem Vorbehalt der Rechtsprechung stehen, unabhängig davon, was beide Vertragsparteien vereinbart haben. So hat beispielsweise das Bundesarbeitsgericht bereits im Jahr 2012 entschieden, dass Leistungen aus einer bAV unter bestimmten Rahmenbedingungen erst mit 67 Jahren gezahlt werden müssen, auch wenn sie ursprünglich zum 65. Lebensjahr zugesagt wurden. Eine weitere Kröte müssen Bezieher von Leistungen aus der bAV bereits seit 2010 schlucken. Seinerzeit bejahte das Bundesverfassungsgericht nachträglich die grundsätzliche Beitragspflicht entsprechender Auszahlungen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung – und zwar mit dem vollen Beitragssatz, also sowohl den Arbeitnehmer- wie auch den Arbeitgeberanteil. Das Urteil betrifft unter anderem alle durch Entgeltumwandlung finanzierten Verträge. Allein dieses Urteil entspricht damit einer effektiven Kürzung der bAV-Rentenbezüge von (aktuell) gut 15 Prozent, Steigerungen sind natürlich nicht ausgeschlossen. Die Krankenversicherungsbeiträge werden übrigens direkt von Produktanbieter abgeführt. Jedem bAV-Sparer sollte daher bewusst sein, dass er ein rigides, unbeeinflussbares und juristischen Spielbällen unterworfenes Produkt erwirbt.
3. Kosten
Neben Lebens- und Rentenversicherungen sowie Riester- und Rürup-Policen (die übrigens fast allesamt den hier geschildeten Symptomen unterliegen) sind bAV-Verträge die mit am höchsten provisionierten Produkte der Finanzbranche. Dies sorgt nicht nur für eine gewisse Verkaufsfreude sondern zieht natürlich auch entsprechende Kosten nach sich, die von den Sparbeiträgen abgehen, nicht dem Deckungsstock zugeführt werden und daher keine Erträge generieren können. Dazu schlagen die hohen Aufwendungen für Verwaltung, Vertrieb und Marketing zu Buche. Diese Gesamtkosten werden allerdings nicht transparent kommuniziert. Kaum ein bAV-Verkäufer kann die eigentlich simple Frage beantworten, geschweige denn schriftlich bestätigen, wie viel Cent von jeden Euro Monatsbeitrag in den Deckungsstock und wie viel Cent in die Kostendeckung fließen. Letztere Position kann über die Vertragslaufzeit je nach Anbieter und Laufzeit durchaus fünf bis zwanzig Prozent der (Gesamt-)Beiträge ausmachen. Fakt ist, dass jeder bAV-Vertrag mit hohen Provisionen und Kosten behaftet ist, die von den Anbietern in der Regel nicht hinreichend transparent gemacht werden.
4. Rendite
In einem Land, in dem der Steuerspartrieb stärker als der Geschlechtstrieb ausgeprägt zu sein scheint, ist das Werben mit Steuer- und Abgabenfreiheit ein schier unschlagbares Verkaufsargument. Nur so ist es zu erklären, dass die Renditen der gängigen bAV-Anbieter bezogen auf deren Rentenzusagen kaum mit der Alternative einer privaten Anlage aus versteuertem Nettoeinkommen verglichen werden. Fazit: Selbst bei den besten Anbietern müssen Versicherungsnehmer die durchschnittliche Lebenserwartung weit überschreiten, um gegenüber der privaten Spartätigkeit mit anschließendem Kapitalverzehr eine Überrendite zu erzielen. Grund: Neben dem Zwang zur Veranlagung in derzeit niedrig verzinste Anleihen (siehe 1.) schlagen die hohen Aufwendungen für Verwaltung, Vertrieb und Marketing (siehe 3.) zu Buche. Beide Faktoren überkompensieren in vielen Fällen die ersparten Steuern und Abgaben, zumal die Anbieter noch das Risiko eines langen Lebens durch entsprechende Rückstellungen absichern müssen, was wiederum aus den Mitteln des Deckungsstocks erfolgt. Da bAV-Verträge grundsätzlich Rentenzahlungen bis zum Lebensende vorsehen, wird die effektive Nominalrendite eines solchen Vertrages wohlweislich auch fast nie angegeben. Genau diese sollte sich aber jeder interessierte Sparer vom Produktanbieter auf Basis der durchschnittlichen Lebenserwartung attestieren lassen – Überraschungen werden nicht ausbleiben, vor allem wenn hiervon noch zwecks Ermittlung der Realrendite die Inflationsrate abgezogen wird. Hierbei ist natürlich auch zu beachten, dass sämtliche Auszahlungen sowohl mit Krankenversicherungsbeiträgen (siehe 2.) als auch Steuern belegt werden. Erschwerend kommt zurzeit hinzu, dass die europäische Zentralbank die Zinsen kräftig nach unten manipuliert hat, um angeschlagenen Euroschuldnern ihre Refinanzierung zu erleichtern beziehungsweise überhaupt zu ermöglichen. Dies macht es bAV-Anbietern aufgrund der rigiden Vorgaben für den Deckungsstock (siehe 1.) fast unmöglich, abzüglich aller Kosten eine passable Rendite oberhalb der Inflationsrate zu erwirtschaften. Das könnte freilich auch Methode haben. In einem „Working Paper“ des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 2013 mit dem bezeichnenden Untertitel „Financial and Sovereign Debt Crises: Some Lessons Learned and Those Forgotten“ wird die Möglichkeit der finanzieller Repression zwecks Entschuldung diskutiert. Demnach können Staatsschulden problemlos auf Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen abgewälzt werden, indem diese über Regulierungsmaßnahmen gezwungen werden, weit geringere Renditen zu akzeptieren, als sie unter normalen Umständen fordern würden. Auf absehbare Zeit ist und bleibt daher abhängig von Vertragsgestaltung und Lebenszeit jeder bAV-Vertrag um ein mager bis negativ verzinstes Investment – trotz Steuer- und Abgabenfreiheit.
Fazit
Ein jeder an privater Altersvorsorge interessierter Mitarbeiter mag für sich selbst entscheiden, ob ein bAV-Vertrag für ihn das Mittel der Wahl darstellt. Falls ja, sollten die vier hier skizzierten Punkte unbedingt im Beratungsgespräch thematisiert, die Ergebnisse schriftlich fixiert werden.
Zudem gilt es in diesem Kontext aus Kundensicht wenig erquickliche gesetzliche Änderungen zu beachten, die letztendlich für alle über Versicherungsunternehmen abgeschlossene Sparprodukte relevant werden können. So trat zum 01. Januar 2014 die neue Fassung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) in Kraft. Hier hat es insbesondere § 89 in sich. Er regelt Auszahlungsverbote sowie die Herabsetzung von Leistungen für den Fall, dass ein Institut „für die Dauer nicht mehr imstande ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen“. Zudem wird selbst bei (Teil-)Leistungsverweigerung seitens der Versicherung „[…] die Pflicht der Versicherungsnehmer, die Versicherungsentgelte in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen […] nicht berührt.“ Noch jüngeren Datums ist das Mitte 2014 verabschiedete Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG). Es regelt unter anderem, dass die stillen Reserven der Versicherer, die vor allem aus Buchgewinnen resultieren – wenn beispielsweise der Marktpreis zuvor gekaufter Anleihen zwischenzeitig im Wert gestiegen sind – nicht mehr an Kunden mit auslaufenden Verträgen ausgeschüttet werden müssen.
Wer zumindest über Grundkenntnisse der Funktionsweise von Kapitalmärkten verfügt beziehungsweise bereit ist, sich diese anzueignen und zudem ein Mindestmaß an Disziplin aufbringen kann, sollte als Alternative die private Vermögensverwaltung, also klassisches, vertragsungebundenes und flexibles Sparen aus versteuertem Nettoeinkommen in Betracht ziehen. Gerade im direkten Vergleich mit der bAV schneidet diese Alternative trotz des vermeintlichen Nachteils mangelnder Steuer- und Abgabenfreiheit und daher niedrigerer Gesamtsparraten recht ordentlich ab, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht. Die realen Vertragsdaten sind dem Angebot eines großen deutschen Versicherungsunternehmens entnommen und stammen aus dem Jahr 2011.
Beispielrechnung bAV
Die Garantierente wird (derzeit) ab Vollendung des 67. Lebensjahres bis zum Tod gezahlt. Unter beispielhafter Annahme einer Restlebenserwartung von 15 Jahren ergibt sich bei einer monatlichen Garantierente von 293,00 Euro und allein bezogen auf den Nettolohnverzicht von 76,92 Euro eine Rendite von 2,42 Prozent pro Jahr. Allerdings fallen auf die Auszahlungen zuvor noch Krankenversicherungsbeiträge (derzeit 15,5 Prozent) und gegebenenfalls Steuern an, das monatlich garantierte, verfügbare Einkommen liegt also bei maximal 247,59 Euro. In diesem Fall sinkt die Rendite auf 1,72 Prozent – weniger als die langjährige mittlere (und von der Europäischen Zentralbank aktiv angestrebte) Inflationsrate von gut zwei Prozent.
Noch düsterer sieht die Berechnung freilich aus, wenn die Einkünfte von monatlich 293,00 beziehungsweise 247,59 Euro nicht nur auf den Nettolohnverzicht des Arbeitnehmers, sondern die Gesamteinzahlungen via Entgeltumwandlung bezogen werden. Diese fließt schließlich dem Produktanbieter in voller Höhe zu. Um hier überhaupt auf eine positive Nominalrendite (ohne Berücksichtigung der Inflationsrate) zu kommen, muss der Versicherungsnehmer mindestens 87 respektive 91 Jahre alt werden. Im Falle obiger Lebenserwartung betragen die Renditen -1,21 beziehungsweise -1,95 Prozent – pro Jahr!
Alternativ dazu kann natürlich auch die Sparrate in Höhe des Nettolohnverzichts im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung veranlagt werden. Hierbei wird eine kalkulatorische Rendite von durchschnittlich fünf Prozent (nominal) unterstellt, die auch in Niedrigzinsphasen durch ein global diversifiziertes Wertpapierportfolio verschiedener Anlageklassen erzielbar ist. Bei Entnahme einer Privatrente in Höhe der maximalen Nettoauszahlungen der bAV wird das Sparvermögen nicht nur nicht verzehrt sondern sogar leicht gemehrt – so freuen sich gegebenenfalls noch die Erben über einen soliden Kapitalstock (im Fall der bAV „erbt“ diesen sofern noch vorhanden übrigens der Produktanbieter).
Angebote jüngeren Datums unterscheiden sich dabei hinsichtlich der finanziellen Vertragsdaten kaum vom obigen Beispiel. Eher erweisen sich diese aufgrund der zwischenzeitig eingetretenen Kapitalmarktentwicklung in aller Regel als tendenziell noch nachteiliger. Das dem obigen Rechenbeispiel zugrunde liegende Renditemuster ist daher tatsächlich repräsentativ und wird durch die aktuellen Konditionen selbst bestbeleumundeter Traditionsunternehmen der Branche bestätigt. Dieses Muster lässt sich wie folgt verallgemeinern:
- Bezogen auf die Garantierente ergibt sich bei durchschnittlicher Lebenserwartung stets eine Negativverzinsung auf den geleisteten Gesamtbeitrag.
- Selbst unter Zugrundelegung des Nettolohnverzichts bewegt sich die Verzinsung durchgehend unterhalb der langjährigen durchschnittlichen Inflationsrate.
Im zweiten Fall ist ein realer, im ersten Fall gar ein nominaler Verlust zu verzeichnen; hier wäre es also tatsächlich sogar vorteilhafter, wenn der Gesetzgeber die Bargeldhortung als Durchführungsweg zugelassen hätte. Wer profitiert von dieser über die Jahre gesehen im Schnitt doch erheblichen Diskrepanz zwischen Ein- und Auszahlungen? Zur Erinnerung: Defizite müssen natürlich anderswo zu Überschüssen werden (siehe 3., zuzüglich Gewinn der jeweiligen Finanzunternehmen). Zurück zur Mehrheit in der eingangs zitierten Postbank-Studie, die einer gesetzlich normierten bAV-Teilhabe für jedermann das Wort redet: Hier scheint tatsächlich ein streng umgekehrter Utilitarismus das größte Unglück der größten Zahl mit unreflektiertem Nachdruck anzustreben.
Nun kann natürlich auch die sogenannte Überschussrente des bAV-Anbieters zum Vergleich herangezogen werden. Hierbei handelt es sich um die Garantierente zuzüglich etwaiger Überschüsse, die dem Versicherungsnehmer gegebenenfalls mit ausgezahlt werden. Mit der prognostizierten Überschussrente wird nachvollziehbarerweise auch fast immer geworben, obwohl diese in keiner Weise zugesichert werden kann und immer von der Entwicklung des Deckungsstocks abhängt. So wurde gerade in den letzten Jahren bei zahlreichen Anbietern die Höhe der Überschüsse zum Ende der Ansparphase reihenweise kassiert. Nichts desto trotz soll auch diese optimistische Auszahlungsvariante mit der Alternative der privaten Vermögensverwaltung verglichen werden. Im hiesigen Fall beträgt die Überschussrente gemäß Vertragsangebot 545,00 €, abzüglich des Krankenkassenbeitrages macht dies eine monatliche Auszahlung von 460,53 €. Bei einer entsprechenden Privatentnahme aus dem Sparkapital wäre dieses nach 20 Jahren aufgebraucht, also im jenseits der durchschnittlichen Lebenserwartung liegenden Alter von 87 Jahren.
Ergänzende Hinweise
Dank Excel und Internet kann (und sollte) daher heutzutage jedes Sparvertragsangebot auf seine Rentabilität hin abgeklopft werden – das gilt nicht nur für die bAV, sondern beispielsweise auch auch für klassische Lebens- und Rentenversicherungen. Die aktuelle durchschnittliche Lebenserwartung für Männer im Alter zwischen 20 und 40 beträgt nach der bundesweiten Erhebung 2009/2011 der Gesundheitsberichterstattung des Bundes – einer gemeinsamen Einrichtung des Robert Koch-Instituts und des Statistischen Bundesamtes – etwa 78,5 Jahre. Der entsprechende Wert für Frauen liegt bei circa 83,5 Jahren. Trotz dieser erheblichen Differenz darf nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) das Geschlecht als Faktor zur Berechnung von Versicherungsverträgen nicht mehr herangezogen werden, seit dem 21. Dezember 2012 werden daher in Deutschland ausschließlich sogenannte Unisex-Tarife angeboten. Davon sind natürlich auch sämtliche bAV-Verträge betroffen.Das heißt bei gleichen Beiträgen und zugesagten Rentenhöhen beziehen Frauen über die gesamte Laufzeit der Auszahlungen durchschnittlich mehr Leistungen als Männer. In diesem Versicherungssegment erfolgt also eine Quersubventionierung zu Lasten letzterer, welche die ohnehin dünne Rendite versicherungsmathematisch drückt – auch das sollte sich jeder Interessent zumindest bewusst sein. Kleiner Trost: Bei der KFZ-Haftpflicht profitieren Männer von der Unisex-Vorgabe. Gleichermaßen heimgesucht werden Angehörige beider Geschlechter hingegen von der Geißel der Inflation. Der Index der Lebenshaltungskosten, vulgo Inflationsrate, betrug in Deutschland zwischen 1948 und 2014 nach der Statistik der Deutschen Bundesbank 2,3 Prozent pro Jahr.
Kritik Dritter
Die folgenden Inhalte spiegeln nicht die Meinung unserer Firma oder unserer Mitarbeiter wider sondern dienen als weitere Facetten zu diesem komplexen Thema.
Aktuelle Presse
- WirtschaftsWoche vom 17.01.2015: Lebensversicherer stoppen Auszahlungen
- Handelsblatt vom 15.01.2015: Lebensversicherung – Was Ihr Versicherer noch zahlt
Weiterführendes
Der Artikel „Kapitalvernichtende Lebensversicherung“ von Rico Albrecht, Januar 2011, bietet weitere vertiefende Informationen und eine Reihe historischer Dokumente.
PDF: Original Versicherungs-Police aus dem Jahr 1932
PDF: Allianz Schreiben vom 30.10.1957
PDF: Allianz Schreiben vom 26.11.1990
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Was Kritik angeht: Passend dazu auch Folge 2 von „Die Anstalt“.
https://youtu.be/VpMiMjUHc8Q?t=1985
Ich weiß nicht ob zwei Videos von Satiriker Volker Pispers und eins aus der Anstalt hilfreich sind die Facetten des komplexen Themas seriös rüber zu bringen. Und da der Autor in seinem Artikel expliziet auf einige Videos verweist, werden viele Leser dies als Unterstützung ansehen – egal ob sie den Hinweis „Die folgenden Inhalte spiegeln nicht die Meinung unserer Firma oder unserer Mitarbeiter wider sondern dienen als weitere Facetten zu diesem komplexen Thema.“ gelesen haben oder nicht.
Ich finde es immer noch schade, das kaum Alternativen aufgezeigt werden, wie eine betriebliche Altersvorsorge aussehen könnte. Hier liest man nur eine negative Bestandsaufnahme des aktuellen Sachverhaltes und was alles schief gehen kann und wird.
Ich für meinen Teil finde es total cool, dass über das Thema überhaupt mal mehr gesagt wird als: „Es gibt die bAV und wir zahlen unseren Teil. Viel Spaß damit.“
Hätte sich mein alter Arbeitgeber die Mühe gemacht, die Sache so ausführlich zu erklären hätte ich mich wahrscheinlich anders entschieden.
Ich bin voll bei dir, dass wir Alternativen aufzeigen sollten. Da o.g. Text aber schon sehr lang und komplex ist, hatte ich Hrn. Pazos gebeten, diesen Teil, der fast ausschließlich die Probleme beschreibt, schon mal online zu stellen.
Über die Alternativen können wir ja noch separat im Blog berichten, bis dahin bitte ich darum, die Diskussion zu Alternativen in unserem Wiki (also intern) fortzuführen, weil hier (noch) nicht Thema.
Vielen ist leider immer noch nicht bewusst, wie wichtig das Thema überhaupt ist. In diesem Bereich sollte es viel mehr Aufklärung geben.
Ich finde es kommt darauf an, dass betriebliche Altersversorgung einfach intelligent gestaltet wird, so dass sie für alle Seiten von Vorteil ist.