Gestern Energieversorger, heute Digitale Energiewende, morgen Mobilitätsanbieter?

Unter dem Motto „Digitale Energiewende – Optionen, Chancen und Erfolge“ fand der House of Energy Kongress 2018 parallel zur Light + Building auf der Frankfurter Messe statt.

FLAVIA positionierte sich dort unter der Rubrik „Neue Geschäftsfelder und Innovationen“ mit grundlegenden Überlegungen zu der Übertragung von Trends aus der Mobilitätsbranche in die Energiewirtschaft. Der Vortrag wurde durch Georg Schmitt, Geschäftsführer der Grid & Co. GmbH, dem FLAVIA Spin Off in Berlin gehalten.

Der im Titel skizzierte Spannungsbogen zeigt symptomatisch in welcher Konsequenz technologische Entwicklungen in das grundsätzliche Verständnis von so elementaren Bereichen wie der Energieversorgung eingreifen und das wirtschaftliche Gefüge verändern.

Der Beitrag skizziert die aktuellen Trends der Mobilitätsbranche und verbindet diese mit Handlungsfeldern der Energiewirtschaft.

 

Trends der Mobilitätsbranche 

Anzahl der Staus

Am Beispiel der, sowohl auf den Autobahnen als auch innerstädtisch sinkenden Reisegeschwindigkeiten, wird ein steigender Handlungsdruck, insbesondere für den Individualverkehr aufgezeigt. Dieser Handlungsdruck verstärkt sich durch gesellschaftlich verändernde Rahmenbedingungen, welche sich durch sich abzeichnende Fahrverboten in Innenstädten äußern.

Carsharing 

Die zahlenmäßige Entwicklung der durch Carsharing bereitgestellten Fahrzeuge steht stellvertretend für den Einzug der Sharing Economy in die Mobilitätsbranche. Individualverkehr wird nicht mehr ausschließlich unter Einsatz von eigenen, sondern mit geliehenen Fahrzeugen umgesetzt. Aktuell werden, gemäß Information des Bundesverbandes Carsharing, ca. 20.000 Carsharing-Fahrzeuge von ca. 2 Mio. Kunden genutzt.

Die ersten Angebote entstanden aus Initiativen zum Nachbarschaftsauto, in denen Bewohner „aus der Nachbarschaft“ sich einen PKW teilten. Diese vielfach ursprünglich in Vereinen organisierte Angebote haben sich in professionell geführte Mobilitätsdienstleister mit einem organischen Wachstum von 10% – 20% pro Jahr weiterentwickelt.

Der Markteintritt der Automobilkonzerne Daimler und BMW mit ihren Marken Car2Go und DriveNow führte in den Jahren nach 2012 zu signifikanten Wachstumsschüben. Die neuen Angebote stehen abweichend zu den ursprünglichen „stationsbasierten“ Ansätzen für ein Freefloating, in dem der Nutzer das Fahrzeug, innerhalb des Bediengebietes (Bspw. einer Innenstadt), an jeder beliebigen Stelle anmieten und auch wieder abstellen kann. 

Ergänzend zu den Anbietern von Carsharing ist in den letzten Jahren eine Vielzahl von weiteren Sharing-Angeboten im Mobilitätsumfeld entstanden. Neben Fahrradanbietern treten insbesondere in den letzten Jahren vermehrt Anbieter von E-Sharing (E-Bike, E-Lastrad, E-Roller) in Erscheinung. 

Autonomes Fahren 

Die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich weisen darauf hin, dass in wenigen Jahren autonome Fahrzeuge sowohl im Gütertransport als auch im Personenverkehr eingesetzt werden. 

Die, in den aktuell diskutierten Szenarien enthaltene zentrale Steuerung der einzelnen Fahrzeuge, ermöglicht es Fahrzeugdispositionen sowohl in Abhängigkeit von Kundenvorgaben als auch unter betrieblichen Aspekten durchzuführen. So können Fahrzeuge auch im Hinblick auf die Ladestände ihrer Batterien optimiert eingesetzt werden.

Mobilitätsplattformen 

Mobilitätsplattformen verschmelzen die unterschiedlichen Verkehrsmittel zu einem Angebot an Mobilität und machen dem Nutzer dieses Gesamtangebot über die Bereitstellung einer Smartphone – App zugänglich.

Der Nutzer erhält alle relevanten Informationen über die zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel und kann entsprechend seiner persönlichen Präferenz ein Verkehrsmittel wählen. Die Smartphone App ermöglicht es dieses Verkehrsmittel verbindlich zu buchen und bietet alle Funktionen um das Verkehrsmittel zu nutzen. So können gebuchte Carsharing Fahrzeuge über die App geöffnet und nach der Nutzung wieder verschlossen werden. Im Umfeld des ÖPNV erbringt ein E-Ticket den Nachweis der Fahrberechtigung. Der Nutzer erhält in der Regel monatlich eine Rechnung über die Nutzung der unterschiedlichen Verkehrsmittel.

Die Verknüpfung mit dem in Deutschland sehr gut ausgebauten ÖPNV ist ein wichtiges Kriterium für die Leistungstiefe der Mobilitätsplattform. 

Der Aufbau von Mobilitätsplattformen, die ihren Kunden ein vollumfängliches Angebot an Mobilitätsservices bereitstellen erfordert einen tiefgreifenden Wandel in der Struktur der Anbieter. Aktuell tritt jeder Anbieter seinem Kunden gegenüber als eigenständiger Lieferant auf, stellt die Transportleistung bereit und berechnet diese entsprechend des gewählten Vertragsmodells mit den Kunden. In einer Mobilitätsplattform werden unterschiedliche Verkehrsmittel durch einen Vertragspartner dem Kunden angeboten und nach der Nutzung verrechnet. Für den eigentlichen Leistungserbringer bedeutet dies, dass er seine Leistung in eine übergeordnete Architektur integrieren muss und aus Kundensicht „nur noch“ als reiner Sublieferant auftritt.

Mobilitätsbranche – Zusammenfassend und Ausblick 

Der auf der Branche lastende Handlungsdruck, sowohl aus den sich stetig reduzierenden Reisegeschwindigkeiten als auch aus den sich abzeichnenden Fahrverboten in Innenstädten wird dazu führen, dass sich weitere neue Angebote entwickeln. Technologisch befeuert durch den Eintritt der autonomen Fahrzeuge, ist für die Umsetzung erprobter Sharing-Modelle und der Ausbau von Mobilitätsplattformen weiterhin ein signifikantes Wachstum zu erwarten.

Die Entwicklung in anderen Branchen lässt erwarten, dass sich überregional wenige große Anbieter aufgrund ihrer Marktmacht als führende Anbieter von Mobilitätsplattformen positionieren werden. Für den deutschen Markt bleibt abzuwarten, ob es der Deutschen Bahn gelingt ihre aktuelle Position auf dieses neue Feld auszuweiten. Mit ihrer Dominanz auf den eigentlichen Endgeräten, den Smartphones stehen mit Google, Apple und auch Amazon weitere Kandidaten für dieses neue Geschäftsfeld in den Startlöchern. Die deutschen Automobilhersteller unternehmen aktuell große Anstrengungen ihre eigentlichen Geschäftsmodelle auf die Bereitstellung von Mobilitätslösungen auszudehnen. Darüber hinaus besteht, wie bei allen digitalen Geschäftsmodellen, die Möglichkeit, dass ein neuer Akteur unter Einsatz von hohen Finanzmitteln dieses Marktsegment besetzt.

Im regionalen Umfeld ist, insbesondere vor dem Hintergrund der föderalen Struktur in Deutschland, zu erwarten, dass regionale Anbieter ihre Geschäftsmodelle um Mobilitätsservices ausweiten. 

Verbindung zwischen Mobilitäts- und Energiewirtschaft

Die Energiewende fordert von den Energieversorgern eine Flexibilisierung der Bereitstellung der elektrischen Energie.

Der Mobilitätssektor wird in zunehmenden Maße, zu Lasten der bis dato eingesetzten Verbrennungstechnologien, auf elektrischen Antrieb umsteigen. Die hiermit einhergehende Weiterentwicklung der Fahrzeugbatterien bilden das Schlüsselelement für die Verknüpfung beider Branchen. Die Flexibilisierung der Energieversorgung erfordert Speicherkapazitäten um temporäre Überschüsse auszugleichen. Die aktuell entstehenden Fahrzeugbatterien bieten, gemessen an der durchschnittlichen täglichen Fahrleistung, relevante Reserven. Diese Reserven können, ohne Komfortverlust beim Nutzer, anteilig in die Optimierung der Energieversorgung eingebracht werden.

Energiewirtschaft

Die Flexibilisierung der Stromnachfrage ist ein wichtiges Mittel um die aus der Energiewende resultierenden Anpassungen zu bewältigen. (Last folgt Erzeugung).

Die „gesteuerte Lastverschiebung“ ist hierbei, ein schon in der Vergangenheit (Stichwort: Nachtspeicheröfen) eingesetztes Konzept um den Verbrauch der Erzeugersituation anzupassen. 

Der aktuelle Preisverfall der Batterien schafft, ggf. in Kombination mit Eigenerzeugung über Photovoltaikanlagen, neue Handlungsspielräume. Die Versorgungsnetze werden dadurch entlastet, dass Energie kostengünstig zu Überschusszeiten in die eigenen Haus-Batterien geladen und in „Hochpreiszeiten“ verbraucht wird. 

Die Mobilität der, absehbar in den nächsten Jahren, entstehenden Speicherkapazitäten der E-Fahrzeuge schafft darüber hinaus eine völlig neue Flexibilität. Beginnend mit der örtlichen und zeitlichen Flexibilität der Energieaufnahme, ergänzt mit den sich heute schon abzeichnenden Möglichkeiten des bi-direktionalen Ladens (Stromaufnahme und Stromabnahme) öffnen die entstehenden technischen Möglichkeiten weiteren Handlungsspielraum, der allerdings regulatorisch noch ausformuliert werden muss.

E-Mobilitätsanbieter

In der abschließend dargestellten Rolle als „E-Mobilitätsanbieter“ erweitert der regionale Energieversorger das eigene Portfolio um den Betrieb der regionalen Ladeinfrastrukturen für E-Fahrzeuge. Hierdurch gewinnt er, ggf. in Zusammenarbeit mit anderen Anbietern, eine erhöhte Sichtbarkeit im kommunalen Umfeld und erhöht die Auslastung für die eigenen technischen Service-Bereiche.

Neben der eigentlichen Leistungserbringung steht der zu erzielende Knowhow Aufbau im praktischen Umgang mit aus der fortschreitenden Digitalisierung entstandenen Szenarien (moderne Internet-of-Things Architekturen) einschließlich die Erfahrungen mit dem Kundenverhalten im Vordergrund. Hierzu ist es unabänderlich, dass der Energieversorger sich den vollen Zugriff auf die Daten der beteiligten IT Systeme sichert.

Wo könnte die Umsetzung einer gesteuerten Lastverschiebung, sowohl durch direkte Steuerung der Ladeprozesse als auch indirekt durch Preisanreize, einfacher umgesetzt werden, als im Kundensegment der innovativ, Technik-versierten, eigenmotivierten Nutzern von E-Fahrzeugen. Erfahrungen in diesem Segment können kontrolliert in andere Anwendungsfälle, und damit in die breite Kundenbasis, übertragen und dort als positive Alleinstellungsmerkmale genutzt werden.

Mit steigender Verbreitung der E-Fahrzeuge können neue Nutzungsszenarien unter Einbeziehung der Fahrzeugbatteriekapazitäten beispielsweise zur Netzstabilisierung entwickelt werden.

Fazit

Die Ausweitung der Geschäftstätigkeit um die Erbringung von Mobilitätsservices oder anderen energieintensiven Leistungen, bilden realistische Szenarien für die Weiterentwicklung des Leistungsgebotes der Energieversorger.

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