Auf unserem Firmenparkplatz errichten wir öffentliche Ladeinfrastruktur. Im folgenden Artikel schauen wir uns die verschiedenen Schritte an, die für eine erfolgreiche Inbetriebnahme notwendig sind. Weil wir das Projekt mit Videos auf unserem YouTube-Kanal begleitet haben, werden diese an passender Stelle eingebunden.
Erste Schritte
Was will ich eigentlich bauen?
Möchte man eine eigene Ladeinfrastruktur errichten, so gibt es dabei einige Dinge zu beachten. Eine ganz zentrale Frage, die direkt zu Beginn geklärt werden sollte, lautet: Wofür soll die Ladeinfrastruktur genutzt werden?
- Lade ich mein eigenes E-Auto, während ich zu Hause bin?
- Möchte ich öffentliche Ladeinfrastruktur aufstellen?
- An Orten, wo Menschen vergleichsweise kurz verweilen (bspw. Autobahnraststätten oder Supermärkten)?
- An Orten, wo Menschen länger verweilen (bspw. in Innenstädten oder auf Parkplätzen von großen Einkaufszentren oder Hotels)?
- Möchte ich Ladeinfrastruktur auf meinem Firmenparkplatz bauen, damit meine Mitarbeiter und Kunden dort laden können und ich meine eigene Flotte versorgen kann?
Außerdem kann es sinnvoll sein, sich die technischen Möglichkeiten der potenziell zu ladenden Autos anzusehen, teilweise können die Fahrzeuge nämlich nur mit einer bestimmten maximalen Ladeleistung laden.
Durch Beantwortung dieser Fragen kann man sich ein Bild über die Ladeinfrastruktur machen, welche zu einem passt:
Besitze ich ein E-Auto, mit welchem ich ins Büro und zum Einkaufen fahre, so kann ich es bequem zu Hause über Nacht laden. Dafür reicht eine Lademöglichkeit, die 11 kW zur Verfügung stellt. Soll auch zwischendurch das Auto mal schneller geladen sein, kann eine 22 kW Alternative angebracht sein.
Für gewerbliche Anbieter bspw. an Autobahnraststätten ist die Ladezeit ein wichtiger Faktor. Reisende möchten ihre Urlaubsreise natürlich so schnell wie möglich über die Bühne bringen, die Ladezeiten sollten also so kurz wie nur irgendwie möglich sein. Dafür sind Ladeleistungen von 50 kW und mehr (sogenannte Schnellader) die richtige Wahl.
Für Unternehmen, die sowohl ihren Mitarbeitern als auch ihren Kunden das Laden ermöglichen möchten, kann eine Kombination verschiedener Ladeleistungen sinnvoll sein. Diese lassen sich auch durch ein Last- und Lademanagement erreichen (dazu später mehr).
Es gibt zwar auch Lademöglichkeiten über eine Haushaltssteckdose, wirklich empfehlenswert ist dies aber nicht, da durch die hohe Belastung Kabelbrände entstehen können.
Kann ich meine Wünsche auch umsetzen?
Hat man diese Fragen beantwortet, so bekommt man eine Vorstellung davon, welche Gesamtleistung die gesamte Anlage benötigt. Nun gilt es zu prüfen, ob die gewünschte Leistung vor Ort auch zur Verfügung steht. Dies kann mit dem Netzbetreiber geklärt werden.
Die Prüfung kann einige Zeit in Anspruch nehmen, im Anschluss wird eine Anschlusszusage erteilt.
Zu guter Letzt stellt sich die Frage nach dem Standort: Wo sind ausreichend Parkflächen vorhanden, wie können diese mit dem erforderlichen Strom versorgt werden und gibt es andere bauliche Dinge, die beachtet werden müssen (bspw. ein Bauantrag)?
Welche Hardware erfüllt meine Anforderung?
Nachdem nun also geklärt ist, für welche Zielgruppe die Ladeinfrastruktur gedacht ist und welche technischen Möglichkeiten sich am Standort bieten, beginnt die Auswahl der Hardware.
Wie bereits kurz erwähnt wird hierbei zwischen AC- und DC-Chargern unterschieden.
AC-Charger (AC = Alternating Current) sind meist als Wallbox ausgeführt, können also einfach an eine Wand oder eine Stele montiert werden. Durch ihre geringeren Leistungen ist die Installation für den Elektriker meistens einfacher.
DC-Charger (DC = Direct Current) wandeln die Wechselspannung des Stromnetztes in Gleichspannung um, wodurch mehr Leistungselektronik in den Geräten verbaut ist. Hier werden wegen des höheren Platzbedarfs für die Technik meistens Ladestationen aufgestellt.
Für unsere Ladeinfrastruktur konnten wir auf einen Parkplatz hinter dem Bürogebäude zurückgreifen, der über vier Parkplätze verfügt und öffentlich zugänglich ist. Da wir uns auch in der direkten Umgebung des Bahnhofs befinden, bot es sich an DC-Charger zu verbauen, damit bspw. Abholer ihr Auto während der Wartezeit aufladen können.
Für unseren Anwendungsfall haben wir uns für HYC50 Wallboxen des italienischen Herstellers Alpitronic entschieden. Diese DC-Charger haben eine Leistung von je 50kW, was zu unseren örtlichen Begebenheiten passt, aber dennoch schnelles Laden ermöglicht, um den Standortvorteil zu nutzen.
Ab diesem Zeitpunkt übernimmt die Elektrofirma alle weiteren Schritte: Aufstellen der Ladeinfrastruktur, das Verlegen der notwendigen Kabel und eventuell das Setzen eines neuen Zählers.
Vor allem in älteren Gebäuden kann es sein, dass die vorhandene Elektroinstallation das Laden eines E-Autos nicht empfehlenswert macht. In diesem Fall müsste die Installation getauscht werden. Hier kann die Elektrofirma in jedem Fall eine Einschätzung abgeben.
Die Baustelle
Je nach Standort kann sich das Vorhaben zu einer richtigen Baustelle entwickeln. Das ist für viele sicherlich spannend, braucht aber gegebenenfalls auch viel Verständnis bei den Nachbarn.
In unserem Fall mussten 14 Kernbohrungen in unterschiedlichen Brandschutzabschnitten hergestellt und die Kabel durch den gesamten Keller verlegt werden.
Für das Aufstellen der Wallboxen, die ohne Stele schon gut 120kg wiegen, war schweres Gerät notwendig.
Für die Gestaltung der Parkflächen von öffentlicher Ladeinfrastruktur gibt es Vorgaben, die eingehalten werden müssen, z.B. ist eine entsprechende Beschilderung und Kennzeichnung durch Bodenmarkierungen notwendig.
Der letzte Schritt zur Fertigstellung und Inbetriebnahme stellt die Anbindung an ein OCPP-Backend dar.
Um unsere Ladestationen zu steuern, nutzen wir Gridware, ein Backend für Ladestationen, das von Grid & Co. GmbH und Flavia-IT entwickelt wurde. Gridware ist eine offene, interoperable und hardwareunabhängige Software, die mit jedem OCPP-kompatiblen Ladegerät funktioniert.
Die Anbindung der Ladestation verlief nach ein paar Startschwierigkeiten problemlos. Mit Gridware können wir den Status und die Leistung unserer Ladestationen in Echtzeit überwachen. Dies hat die Anbindung der Ladestation vereinfacht. Darüber hinaus können wir sehen, welche Ladestationen frei oder belegt sind, wie viel Strom sie liefern und wie lange die Ladevorgänge dauern. Fehlermeldungen und Netzwerkprobleme sind in Gridware erkennbar und können so schnell behoben werden. Gridware ermöglicht es uns, OCPP-Nachrichtenprotokolle zu analysieren und Konfigurationen zu aktualisieren. Außerdem können wir über Gridware Firmware-Updates auf den Ladestationen installieren, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten.
Mit Gridware können wir verschiedene Abrechnungsoptionen für unsere Kunden anbieten – nach Zeit oder kWh – und jede gängige Kreditkarte akzeptieren. Auch Rechnungen, Belege und Berichte können generiert werden. Abgesehen davon sind die Daten auch exportierbar. Einige dieser Abrechnungsoptionen finden natürlich jetzt auch Anwendung bei unseren eigenen Ladestationen.
Für ein dynamisches Energiemanagement gab es in diesem Fall keine Notwendigkeit, da der Anschluss genug Strom liefert.
Mit Gridware ist es aber generell möglich, ein Energiemanagement zu aktivieren, um die Auslastung von Ladestationen zu maximieren. Wir können die Lastverteilung einstellen, um die Stromaufnahme zu begrenzen und Überlastungen zu vermeiden. Des Weiteren könnten wir auch unsere Ladestationen mit erneuerbaren Energiequellen wie Solar- oder Energiespeichern verbinden, um unsere CO₂-Bilanz zu verbessern.
Wo geht’s zur Ladeinfra?
Wenn ihr unsere Ladepunkte einmal ausprobieren wollt, so findet Ihr sie an unserem Firmenstandort, Wilhelmshöher Allee 268 in 34131 Kassel. Die Anfahrt ist dabei über die Rolandstraße hinter dem Bürogebäude.